Social Media – Ökonomie der Aufmerksamkeit

Der Versuch sich theoretisch über social media zu unterhalten offenbart die eigentliche innewohnende Innovationskraft. Deutlich wird das an den sprachlichen Schwierigkeiten, sie zu beschreiben. Weder sind sie so richtig privat, doch so recht öffentlich sind sie wiederum auch nicht. Die eigentliche Dimension der Schwierigkeiten wird klar, wenn man selbst mit schwerem Gerät der Philosophie nicht weiterkommt. Wie sich die social media dem eindeutigen begrifflichen Zugang entziehen macht ihre amphibische Natur deutlich, sie sind weder Fisch, noch Fleisch. Es reicht nicht aus, einen Katalog ihrer möglichen Erscheinungsformen zu erstellen. Im Grunde muss eine neue Sprache entwickelt werden, um social media zu verstehen. Dazu also einige Andeutungen:

Der Kern der social media liegt im Verständnis des user-generated-contents. Der user, also der Akteur der social media, ist Produzent und Konsument in einem. Das ist eine etwas sperrige Bezeichnung für etwas, das wir in jeden normalen Gespräch erleben: Man ist sowohl Sprecher als auch Zuhörer, das Grundprinzip einer jeden Kommunikation. Alltägliche Tätigkeiten, die sich zwischen den Menschen abspielen – Sehen und Gesehen werden online neu interpretiert. Außerdem multipliziert das Netz dieses Gespräch tausendfach und transformiert den Gesprächspartner zum user.

Ökonomie der Aufmerksamkeit

Indem der Akteur zum user wird, befindet er sich unter Seinesgleichen, abertausenden weiteren usern. Es ist egal, ob diese Personen, Unternehmen, Verbände oder zaghafte Versuche digitaler Intelligenzen sind. Als user erscheinen sie alle gleich – ganz egal, wie groß die dahinter stehende Organisation ist, im Netz ist sie ein user unter vielen. Die Währung der user sind klickslikesfriendsfollower – mit anderen Worten: Beziehungen. Je mehr andere user durch das eigene Handeln zum klicken, liken und frienden bewegt wurden, desto mehr steigt der Wert des users und man sammelt etwas von dieser Währung ein. Wert und Beziehungen fallen zusammen und die Maxime eines users ist es, innerhalb einer Ökonomie der Aufmerksamkeit möglichst viel davon auf sich zu lenken.

Community Management

Dabei geht es nur selten darum, alle Aufmerksamkeit zu sammeln. Vielmehr zielt es auf ein bestimmtes Publikum. Wahlkämpfer zielen auf Wähler, Blogger auf inhaltlich Interessierte, Le Floyd auf Jugendliche und so weiter. Mit seinem Publikum generiert jeder user sich eine Mikroöffentlichkeit, eingebettet im Gesamtnetz. Eine Art Forum, innerhalb dessen sich wie in einem Salon Gleichgesinnte tummeln, austauschen, sehen und gesehen werden. Auch dafür gibt es gute Konzepte, das der Gemeinschaft oder der community. Hier hat die Gamingindustrie die Mechanik verstanden und ein community management etabliert. Die Betreuung, Bespielung und Steuerung der eigenen Mirkoöffentlichkeit, wird im Umkehrschluss zum Teil der eigenen Wertschöpfungskette.

Spiele als Social Media

Computerspiele sind in diesem Sinne selbst social media, jemand beschrieb mal World of Warcraft als das aufwendigste Chatprogramm der digitalen Geschichte. Second Life wurde sogar die Möglichkeit zugesprochen, eine Parallelwelt aufzubauen. Und Minecraft verbindet eine gesamte Generation von digital natives. Nicht zuletzt war eine entscheidene Entwicklungstufe von Facebook die Integration von Spielen. Was vorher exklusives Spiel mit angehängter Sozialkomponente der massive-multi-player-online-role-playing-games war, wurde durch Facebook zu einer Sozialplattform mit angehängten Spielen um sich gemeinsam die Zeit zu vertreiben.

Authentizität

Social media sind eine Gemeinschaft. Wer versucht daraus Profit zu schlagen, wird sehr schnell außenvorgelassen, die user suchen sich einfach andere Spielwiesen. Der erfolgreiche Gebrauch der social media liegt im Verständnis seiner sozialen Ader, dem Grundpuls von Beziehungen und Wertschätzung. Nur wer authentisch Inhalte generiert, wird zum content-generating-user und damit zum Teil der social media. Die Authentizität misst sich nicht an diesem oder jenem, sondern an den anderen usern. Wenn sie es brauchen, teilen oder gut finden, dann ist es authentisch.

Kommunikation auf Augenhöhe

Für Unternehmen oder Verbände stellt sich damit eine neue Herausforderung, die auch Lehrer zu meistern haben: Sie müssen von einer hierarchischen und klar strukturierten Kommunikation weg, ohne ihre Autorität zu verspielen. Sie müssen eine Augenhöhe zu anderen usern herstellen, indem sie sich erst einmal selbst als ganz normaler user begreifen. Und indem sie dann als user für ihre community etwas anbieten, das von Interesse ist.

Marketing im 21. Jahrhundert

Wer nur die üblichen Phrasen drischt und als PR-Strategie versucht ‚die message‘ rüberzubringen, wird scheitern. Wer sich hingegen die Mühe macht und ohne Verschleierung der Intention sich selbst und seine Absichten wertschätzend zur Verfügung stellt, wird bewegen. Nicht umsonst beschrieb einst Aristoteles das Ziel aller Rhetorik darin, andere zu bewegen. Nachdem wir also ein Jahrhundert lang mit top-to-bottom aufgebauten agenda settings, Öffentlichkeitsarbeiten und PR-Strategien lebten, ist der Wandel unaufhaltsam. Social media erschließen das Konzept der öffentlichen Gemeinschaft neu – verpassen Sie nicht den Anschluss!

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