Je besser ein Bewerber auf eine Stelle und zum Unternehmen passt, desto mehr Wert hat er für dasselbe. Es lohnt sich also, schon bei der Personalauswahl ganz genau hinzuschauen. Neben Fachwissen ist deviantes Verhalten ein wichtiger Faktor dafür, ob mich ein Mitarbeiter später teuer zu stehen kommt. Einfache Merkmale wie Geschlecht und kognitive Fähigkeiten eignen sich nicht zur Vorhersage von Devianz, stattdessen lässt sich unsere Intuition genau durch diese Merkmale sowie durch Ähnlichkeiten der Bewerber mit uns selbst, täuschen. In einigen Fällen geben die Zwischentöne in den Referenzen der Bewerber erste Hinweise zu deviantem Verhalten. Wer jedoch genauer hinschauen und eine einheitliche Grundlage zum Vergleich von Bewerbern schaffen möchte, kann auf psychologische Testverfahren zurückgreifen.
Dazu eignen sich Persönlichkeitstests sowie Integrity Tests. Es handelt sich jeweils um Oberkategorien, die verschiedene Tests unter sich vereinen. Im Folgenden stelle ich beide Ansätze mit ihren spezifischen Vor- und Nachteilen vor:
Persönlichkeitstests messen – wie der Name sagt – wie stark ausgeprägt Persönlichkeitsmerkmale, wie Offenheit, Extraversion und Gewissenhaftigkeit, bei einem Menschen sind. Statistische Zusammenhänge zwischen deviantem Verhalten und einigen Persönlichkeitseigenschaften sind nachgewiesen. Also kann man Persönlichkeitstests indirekt zur Vorhersage der Neigung zu deviantem Verhalten nutzen. So neigen Neurotiker und Narzissten im Mittel eher zu deviantem Verhalten. Im Gegensatz dazu, sind Offenheit und Gewissenhaftigkeit eher ein Kennzeichen nicht-devianter Menschen. Es gilt jedoch nicht, je mehr umso besser: bei extremen Ausprägungen von Offenheit oder Gewissenhaftigkeit kann sich der Zusammenhang auch umkehren.
Einige Integrity Tests basieren ebenfalls auf der Messung bestimmter Eigenschaften, andere messen die implizite Einstellung der Testteilnehmer. Im Gegensatz zu Persönlichkeitstests wurden Integrity Tests jedoch explizit mit Blick auf die Anwendung zur Vorhersage unerwünschter Verhaltensweisen entwickelt. Dies macht sich auch in den Ergebnissen bemerkbar: Integrity Tests sagen spezifisch deviantes Verhalten besser vor als allgemeine Persönlichkeitstests.
Wem es alleine um die Vorhersage von unerwünschtem Verhalten im Arbeitsleben geht, für den sind Integrity Tests durch ihre spezifische Ausrichtung vermutlich genau richtig. Darüber hinaus lässt sich jedoch mit den Ergebnissen nicht viel anfangen. Das aus Persönlichkeitstests gewonnene Wissen über die Eigenschaften eines zukünftigen Mitarbeiters kann hingegen breiter genutzt werden, etwa beim Abgleich mit den Jobanforderungen. Wer sehr introvertiert ist, ist vermutlich im Außendienst oder im Vertrieb nicht sehr gut aufgehoben. Darüber hinaus können Führungskräfte auf Basis eines Persönlichkeitstests eine erste Einschätzung der besonderen Stärken und Schwächen des neuen Mitarbeiters gewinnen und darauf reagieren.
Die Grundfrage bei der Wahl des Instruments ist also: welchen Stellenwert hat das Kriterium Devianz bei der Personalauswahl im Vergleich zu anderen? Wer den zeitlichen und finanziellen Aufwand überschaubar halten möchte, sollte besser auf einen vielseitig einsetzbareren Persönlichkeitstest zurückgreifen. Wer es genau wissen möchte, für den sind die in Deutschland bislang noch recht wenig verbreiteten Integrity Tests interessant.