Warum eigentlich Konflikte?

Eine typische Situation in einer Gremiumssitzung: Alles ist harmonisch, bis es scheinbar plötzlich aus einer Person herausbricht und der Konflikt offen zu Tage tritt. Nicht selten ist der Verursacher der Buhmann, der die gemütliche Sitzung ja so viel anstrengender gemacht hat. Den Streithähnen wird wahlweise vorgeworfen, sie sollen zur Vernunft kommen oder erwachsen werden, man sei ja schließlich nicht im Kindergarten. Doch warum reagieren die anwesenden Unbeteiligten häufig so ablehnend auf einen Streit?

Unbeteiligte Dritte können nicht in die Köpfe der Konfliktparteien gucken. Sie sehen nicht, was die Streitenden genau verstanden haben. Und da geht die Unterstellung, sie haben nichts verstanden, allzu leicht von der Hand. Also hält man gemeinhin Streitende für zu unfähig und zu dumm, sich sachlich und vernünftig ihren Problemen zu widmen. Manch „Streitschlichter“ versucht dann gütig und mit dem mahnenden Unterton, das doch jetzt bitte zu verstehen, immer wieder den Sachverhalt zu erklären. Das ist ungefähr so, als ob man einer Katze erklärt, dass die Mäuse es echt doof finden, gefressen zu werden. Die Erklärung ist sachlich richtig, sie spiegelt auch das Unglück wider und geht dennoch völlig an der Sache vorbei.

Es gibt nun einmal konkurrierende Interessen, es gibt unteilbare Streitgegenstände, es gibt das Ehrgefühl und die notwendige und unausweichliche Verfolgung von Interessen. Sie sind alle das Produkt von Klugheit, auch wenn man manchmal nicht sieht, worauf die Klugheit sich bezieht. Vielmehr ist es ratsam, einen tiefen Respekt für Konflikte zu entwickeln und die einzelnen Parteien als kluge Akteure zu betrachten, die etwas völlig korrekt verstanden haben und ebenso korrekt darauf reagieren. Das Defizit liegt nicht in den Einzelnen, sondern darin, dass sich ihre Interessen berühren, kollidieren und ausschließen. Konflikte sind also kein Mangel an Klugheit, sondern eine Folge von Klugheit. Einzig sind nicht alle klugen Dinge auch untereinander kompatibel.

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