Obwohl oder gerade weil das Land so klein ist, pendeln die Niederländer extrem viel. Vielleicht liegt der Gedanke nahe, dass man von überall aus überall hin pendeln kann. Dies lässt sich auch mit Zahlen zum europäischen Vergleich belegen. Mit einem Durchschnitt von mehr als 45 Minuten tägliche Pendeldauer führen die Niederländer den Vergleich von 15 europäischen Ländern an. Die eine nervt es, dem anderen macht es nichts aus. Aber schadet uns das tägliche Hin- und Herfahren vielleicht gesundheitlich?
Die Ökonomin Annemarie Künn-Nelen begann ihre wissenschaftliche Untersuchung dieser Frage unter anderem motiviert durch persönliche Erfahrungen. Anhand von Daten aus Großbritannien untersuchte sie, wie sich die tägliche Wegzeit zur und von der Arbeitsstelle auf objektive sowie subjektive Maße der Gesundheit, die Häufigkeit von Arztbesuchen und die sportliche Aktivität auswirkt. Es hat sich gelohnt, dass sie sich diese unterschiedliche Maße angeschaut hat. Denn die Ergebnisse fallen sehr differenziert aus: Objektive Gesundheitsprobleme und regelmäßiger Sport scheinen vom Pendeln kaum beeinflusst zu werden. Die subjektive Zufriedenheit mit ihrer Gesundheit fällt jedoch bei Langstreckenpendlern geringer aus. Damit gehen auch häufigere Besuche beim Hausarzt einher.
Müssen wir uns also keine Sorgen machen? Bei genauerem Hinschauen findet die Autorin wesentlich stärkere Effekte für Frauen sowie für Pendler, die das Auto nutzen. Bei diesen Gruppen erhöhen längere Arbeitswege auch die Anzahl der Krankentage und vermindern die sportliche Aktivität. Als möglicher Vermittler, durch den sich das Pendeln auf die Gesundheit dieser Gruppen auswirkt, deutet sich neben regelmäßigem Sport die Schlafqualität an. Sowohl bei Frauen als auch bei Autofahrern gibt es einen Zusammenhang zwischen Pendeldauer und der berichteten Schlafqualität. Frauen und Autofahrer schlafen umso schlechter, je länger sie täglich pendeln. Leider erfährt man aus dem Artikel jedoch nichts über den Vergleich Nicht-autofahrende versus nicht-autofahrende Frauen versus Männer.
Nun könnte man kritisch einwenden, dass lediglich eine bestimmte Gruppe von Menschen zum längeren Pendeln neigt oder bevorzugt mit dem Auto zur Arbeit fährt. Wenn also alle, die sich für das Langstreckenpendeln entscheiden, nicht gut auf ihre Gesundheit achten, wären die Ergebnisse ausreichend erklärt. Dieses Erklärungsmodell kann die Autorin jedoch mittels einer komplizierten Analyse ausschließen.
Die gute Nachricht ist: Die berichteten Effekte sind so gering, dass sie für den Einzelnen kaum bemerkbar sind. In der Summe sind jedoch insbesondere die Zunahme der Arztbesuche und bei Teilen der Pendler die höhere Krankenrate von gesamtwirtschaftlicher Relevanz. Da stellt sich die Frage, über welche Maßnahmen sich Pendelzeiten verkürzen lassen und die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver gemacht werden können. Als Beispiel führt die Autorin die Einrichtung einer direkten Zugverbindung zwischen New Jersey und New York City an, die für sehr viele Menschen den Arbeitsweg erheblich verkürzt hat. Da erscheint es schon wie ein Witz, dass die Autorin an der Universität in Maastricht, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur aus genau einer Richtung gut zu erreichen ist, arbeitet. Ins 30 Kilometer weit entfernte Deutschland, genauer Aachen gibt es keine direkte Zugverbindung, obwohl viele Arbeitnehmer und Studenten diese Strecke täglich zurücklegen. Vielleicht wird die hier besprochene Studie ja von den verantwortlichen Planern und Politikern gelesen, so dass die Motivation zur Abhilfe steigt.