Was haben Faulenzer und kreative Querköpfe gemeinsam? Beide weichen von der Norm ab. Wenn man wählen müsste, wünscht man sich vermutlich mehr von Letzteren und weniger von Ersteren. Wobei das auch davon abhängt, ob man im Produktdesign arbeitet oder mit der millimetergenauen Fertigung eines Teils betraut ist. Dieser Beitrag stellt den Auftakt zu einer Serie dar, in der die unterschiedlichen Aspekte abweichendem, also deviantem Verhalten beleuchtet werden.
Menschen sind unterschiedlich. Während der eine Stress in sich hinein frisst, lässt der andere es an den Kollegen aus. Aus diesen unterschiedlichen persönlichen Bedürfnissen und Arten des Umgangs mit äußeren Einflüssen erwachsen Konflikte; insbesondere überall dort wo Menschen zusammenkommen um zu arbeiten und Probleme zu bewältigen. Um eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, regeln explizite und implizite Normen das Zusammenleben und die Zusammenarbeit. Verhalten, welches von diesen Normen abweicht, wird in der Arbeits- und Organisationspsychologie als deviant bezeichnet.
Diese Definition ist sehr allgemein und deckt eine ganze Bandbreite an Verhaltensweisen ab: Zuspätkommen, Diebstahl, Belästigung von Kollegen, Alkoholmissbrauch während der Arbeitszeit, unsicheres Verhalten und das Nicht-Einhalten von Richtlinien sind nur einige Beispiele. Je nach konkreter Definition ist deviantes Verhalten auf den potentiellen Schaden begrenzt, der dem Unternehmen oder Menschen zugefügt wird. Wenn eine solche Einschränkung nicht gemacht wird, lassen sich negative – also Faulenzen – und positive – also kreatives Denken außerhalb des gegebenen Rahmens – Devianz unterscheiden.
„Ist ja nichts passiert.“
Im Einzelfall ist deviantes Verhalten häufig wenig spektakulär und zwischenmenschlich verzeihlich. Wer checkt nicht mal eine private SMS während der Arbeitszeit? War der Ausspruch des Chefs sexuelle Belästigung oder nur ein missglückter Witz? Die Relevanz ergibt sich jedoch durch Häufung. Der geschätzte Verlust alleine durch Unlust und Verweigerung der Mitarbeiter in Deutschland belief sich für 2012 etwa auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
„Ich war halt mal zu spät. Na und?“
Der Einzelfall-Charakter erschwert das Erkennen von und Reagieren auf deviantes Verhalten. Dafür gibt es sowohl strukturelle als auch psychologische Gründe: Meist verfügt nicht eine Person über alle Informationen. Mal bekommt es der eine Kollege mit, mal der andere. Erst die Summe der Teile ergibt ein Bild, welches keinen Raum mehr für Zufall als Erklärung lässt. Ein solches Gesamtbild setzt jedoch voraus, dass Kommunikation über das Wahrgenommene stattfindet. Dies steht jedoch dem verbreiteten Bedürfnis Negatives und Konflikte zu vermeiden, entgegen. Aus der Untätigkeit bei Wahrnehmung der ersten Warnzeichen kann sich Stück für Stück sogar eine stille Akzeptanz von organisationsschädigendem Verhalten einschleichen. Und ohne Grenzen und Konsequenzen hat der Handelnde keinen Anlass sein Verhalten zu verändern.