Was ist eigentlich ein Troll?

Im Netzjargon wird jemand als Troll bezeichnet, der seine „Kommunikation im Internet auf Beiträge beschränkt, die auf emotionale Provokation anderer Gesprächsteilnehmer zielt. Dies erfolgt mit der Motivation, eine Reaktion der anderen Teilnehmer zu erreichen.“ Dieses Verhalten lässt sich allerdings auch offline, zum Beispiel in Sitzungen oder Meetings beobachten und ist ein altes Phänomen im neuen Gewand. Unternehmen müssen offline wie online eine souveräne Haltung zu Trollen finden, da diese sonst erheblichen Schaden anrichten können. Führung bedarf einer neuen Qualität. 

Trolle sind die Nadel, vor der die Filterblase Angst hat

Trolle werden als eine Störung der Kommunikation erlebt. Diejenigen, die sich gestört fühlen, reagieren in der Regel inkompetent auf die Störung. Nun ist ein alter Merksatz hinlänglich bekannt: „Ein Idiot zieht dich auf sein Niveau herunter und schlägt dich dann mit deiner Erfahrung.“  woraus die Netzweisheit gewachsen ist: „Don’t feed the troll“. Ignoriert man einen Troll, zieht er weiter. Für den Troll ist Widerspruch das ideale Futter. Und hat man erst einmal angefangen, dagegenzuhalten, fängt das Trollen erst richtig an. Das Glück eines Trolls liegt darin, dass ihm jemand widerspricht. Gesteigert wird dieses Vergnügen nur noch durch das Auffinden versteckter, moralischer Positionen. Mit der Finesse eines Bluthundes spüren sie Überheblichkeit, Besserwisserei und Scheinheiligkeit auf. Und diese kommen erstaunlich häufig bei Weltverbesserern, Gutmenschen und Opfer-Rolle-Abonennten vor.

Tango von Troll und Getrolltem

Die Aufmerksamkeit von Trollen erregen jene, die auf abweichende Positionen mit Verteidigung reagieren. Anstatt sich schlicht neugierig zu äußern, es stumm zur Kenntnis zu nehmen, die eigene Irritation zu äußern oder seine Gedanken in Ruhe zu wiederholen, geschieht etwas anderes. Die Angesprochenen verhalten sich wie Angegriffene und blasen zur Verteidigung. Das entspricht ungefähr jener Wirkung, wie das Lied „Oh du Fröhliche“ auf einer Beerdigung. Die ungeteilte Aufmerksamkeit ist gewiss. Jede noch so gute Verteidigungsreaktion entblößt ein kostbares Detail: Man verteidigt nicht einen Gedanken, sondern sich selbst. Es werden Ideale verteidigt, mühsam aufgebaute Selbstbilder einer moralischen Überlegenheit. Dieses Selbstbild wird vom Troll angekratzt, was dazu führt, dass Getrollte sich besonders eifrig aufregen. Der Tango hat begonnen. Der entscheidende Clou aber kommt erst mit dem Abbruch der Kommunikation. Getrollte brechen die Kommunikation ab und wechseln zu Machtgehabe, Dominanzverhalten und Ausspielen der eigenen Überlegenheit. Sie sprechen dem Troll erst die Vernunft und dann das Recht auf Kommunikation ab. Tatsächlich erfolgt die Ablehnung der Kommunikation aus Gründen, die der Kommunikation selbst entzogen sind.

Trolle identifizieren Doppelmoral und Bigotterie

Diese Überlegenheit der Getrollten speist sich aus ihrer Repräsentanz einer guten und gerechten Sache. Dafür gibt es viele Beispiele.Eine besondere Expertise haben bei diesem Spiel Veganer, Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten, Tierschützer, Linke und Piraten entwickelt, wenngleich der Vorwurf der Lügenpresse und die Beschwerden über die political correctness ins selbe Horn stoßen. Allen ist gemein, dass sie zwar die Guten, aber auch eine schützenswerte Minderheit mit Opferstatus sind. Weil sie eine gute Sache vertreten, gehören sie zu den Guten. Damit ist ihr Verhalten notwendigerweise auch gut. Jene, die das infrage stellen, sind automatisch böse. Und wenn das Böse auf den Plan tritt, dann ist die Unschuld in Gefahr. Es ist diese Selbstinszenierung von Unschuld, Opferstatus, schützenswerter Minderheit, playing-stupid und dem Auftreten als Anwalt einer gerechten Sache, die sie zur Zielscheibe machen. Trolle decken genau diese Doppelbotschaften auf, identifizieren Doppelmoral, Bigotterie und eben insbesondere die Inszenierung einer moralischen Überlegenheit.

Getrollte werden zu Trollen

Trolle suchen also Leute, die als Antwort auf Kritik eskalieren; die auf die Infragestellung der Selbstinszenierung hochallergisch reagieren. Jede Veranstaltung gegenseitigen Bauchpinselns wird somit zum Honigtopf für Trolle. Das Verhalten der Getrollten ähnelt dem beleidigter Kinder: Trotz, Jähzorn und Ignoranz. Sie mutieren also selbst zu Trollen, sie vermeiden die Debatte, bemühen sich um die Wiederherstellung der Deutungshoheit über das Gespräch und über die Selbstinszenierung, betonen dramatisch ihren Kampf Gut-Böse und werten das Gegenübers als respektlos ab. Zu guter Letzt werden Getrollte schließlich zu Verschwörungstheoretikern. Wer nicht für den Schutz der Getrollten ist, ist gegen sie. Man denke an den Fall Holm oder an die Empfindlichkeiten der AfD gegenüber der „Systempresse.“

Schon bloße Nachfragen werden mit Angriffen beantwortet: „Du gehörst doch auch dazu!“ Kritik wird mit Hass beantwortet. Besonders deutlich wird das an den Mitteln, die von Getrollten als legitime Abwehrmaßnahmen gesehen werden: Segregation durch „safe-spaces“, Kommunikationsabbruch, Absprechen von Menschlichkeit, Verunglimpfung, Wunsch nach drakonischen Strafen oder gleich nach Rache, Herstellen von Ungleichheit und ähnliches.

Die digitale Sphäre bildet erst einmal ein altbekanntes Phänomen ab und verstärkt es, indem sie Wege verkürzt, Zeit spart und die Kommunikation in Echtzeit abbildet. Sie  macht nicht nur das Trollen so viel einfacher, sondern auch das getrollt-werden gerät zu einem beliebten Hobby. Da hilft ein weiterer Merksatz:

Es kann nur beleidigt werden, wer auch beleidigt werden möchte.

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