Man kann beim Coaching eine Menge richtig machen. Man kann aber auch mal so richtig ins Klo greifen. Meistens geschieht das Scheitern aber niederschwellig, schwer greifbar und hübsch eingerahmt, in zur Schau getragener Wertschätzung und Zuwendung. Weil das schwer vorstellbar ist, habe ich es hier veranschaulicht. Im Folgenden geht es auf Spurensuche, was denn alles an Fettnäpfen versteckt wurde. Dabei besteht das Risiko, an sich harmlose Beschreibungen in der Masse überzudramatisieren. Entscheiden Sie selbst!
1. Implizite Hierarchie
Willkommen zum Gruppencoaching, das Ihr Bereichsleiter freundlicherweise in Abstimmung mit Ihrem Abteilungsleiter für Sie organisiert hat.
Jedes Gespräch gleicht einem Turm aus Bauklötzen. Und jedes Wort fügt einen weiteren Baustein hinzu. Diese Worte stellen eine Herrschaft her, sie bauen eine implizite Hierarchie auf: „Ich Chef, Du nichts.“ Getarnt als zugewandte Freundlichkeit wird gesagt: Mit Ihnen sprechen wir nicht, sondern über Sie. Sie werden weder gefragt, noch gehört, Sie spielen einfach keine Rolle.
2. Oh-der-große-Coach-Syndrom
Da Sie Probleme hier in der Abteilung haben, helfe ich Ihnen heute, das endlich auf die Reihe zu kriegen.
Da kann man noch was raufsetzen: „Sie sind falsch.“ Und wieder die Hierarchie: Ihre Unfähigkeit wird durch mich, großer Coach, ausgebügelt. Ich bin besser als Sie.
3. Intransparente Absprachen
Machen Sie sich bitte keine Sorgen: Im Vorfeld haben Ihre Vorgesetzten mich schon detailliert informiert, so dass ich gut im Bilde bin.
Und damit es auch wirklich jeder Teilnehmer kapiert: Teilnehmer sind das untere Ende der Nahrungskette. Ohne Ihr Wissen und Zutun werden hier Absprachen getroffen und intime Inhalte an Externe weitergegeben. Aber was genau erzählt wurde, werden Sie nie erfahren!
4. Nicht ergebnisoffene Herangehensweise
Um die Zeit effizient zu nutzen, nehmen die beiden Herren dringende Termine außer Haus wahr.
Eine versteckte Definition des Problems fand schon im Vorfeld statt: Die Abteilung ist das Problem, nicht der Chef. Solche Wissensanmaßungen sind fast immer falsch. Und selbst wenn nicht: Es ist Aufgabe der Vorgesetzten, Entscheidungen zu treffen. Dafür brauchen sie möglichst vollständige Informationen, die sie nur durch ihre Teilnahme erhalten. Hier scheint sich jemand die Hände nicht schmutzig machen zu wollen. Sollte tatsächlich Zeitnot bestehen, wäre mindestens die Begrüßung und Information der Teilnehmer die ureigene Aufgabe des Chefs und nicht die des Coaches!
5. Moralischer Druck
Da dieses Coaching einiges kostet, betrachten Sie es als Zeichen der Wertschätzung Ihres Unternehmens Ihnen gegenüber.
Ist das Sarkasmus oder Überheblichkeit? Die Arbeitsfähigkeit einer Abteilung ist die Kernaufgabe des Chefs, sie ist für den Unternehmenserfolg unentbehrlich. Eine Personalentwicklung ist keine Wertschätzung für die Teilnehmer, sondern eine ureigene unternehmerische Aufgabe.
6. Vorverurteilung des Schuldigen
Einige haben ja schon geäußert, dass es hier wie im Kindergarten zugeht und dass eine Schlammschlacht begonnen hat. Deswegen möchte ich für den Anfang ein paar Spielregeln für die gute Zusammenarbeit präsentieren.
Indem sich der Coach die Diffamierungen zu eigen macht, bewertet er schon das Geschehen und entwertet die Kompetenzen, Fähigkeiten und Haltungen der Teilnehmer. Konflikte aber sind allzuhäufig eine Folge von Klugheit, nicht von Unfähigkeit. ‚Spielregeln‘ können sinnvoll sein. Wenn die Teilnehmer es wünschen. Doch die werden hier gar nicht erst gefragt. Im Gegenteil, der Coach spielt das Schwarze-Peter-Spiel. Mit der Unterstellung des Kindergartens maßt sich der Coach zudem die Rolle des Erziehers an.
Bereits mit den einleitenden Worten und noch vor den Spielregeln, ist das Kind wahrscheinlich in den Brunnen gefallen. Die Teilnehmer werden als dumm und unfähig abgestempelt, sie bringen dem Unternehmen nur Schaden. Der Coach ist als Heilsbringer eingeführt, der schon die Lösung parat hat. Das sind zwei fatale Haltungen, die schnell Widerstand erzeugen werden. Und zwar erst gegen den Coach und dann gegen die Chefs. Bereits nach dieser Einstimmung sind Konkurrenzkämpfe zwischen den Teilnehmern und dem Coach vorprogrammiert: Wer hat die Deutungshoheit über das Problem, über die Situation und über den Ausgang?
Schlimmer aber noch sind die fatalen Nebenwirkungen: Einerseits wurde hier schon ausgeschlossen, dass es von den Arbeitnehmern der Abteilung unabhängige Ursachen geben kann. Strukturelle Probleme, unklare Vorgaben oder Doppelbotschaften, Leitungsversagen, äußere Marktumstände und Ähnliches werden von vornherein ausgeschlossen. Für ein Unternehmen ist das schädlich, da ausschlaggebende Informationen weiterhin verborgen bleiben. Anderseits erzeugt das schlechte Coaching ein Unbehagen und Widerstand gegen weitere Maßnahmen. Die Schuld dafür wird sofort wieder bei den Teilnehmer abgeladen: Sie sind nicht nur untereinander unfähig, sondern bleiben es auch mit professioneller Hilfe weiterhin. Der Zustand verschlechtert sich und wird mit großer Wahrscheinlichkeit chronisch.